Ich schlage meine Augen auf. Die Uhr auf meinem Nachttisch zeigt zwei Uhr an. Da es draußen dunkel ist, muss es Nacht sein. Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht mehr, denn Tage und Stunden verschwimmen in den letzten Wochen irgendwie. Mein Magen grummelt. Was oder wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe, weiß ich auch nicht mehr. Widerstrebend stemme ich mich aus dem Bett und schlurfe zum Fenster. Auf der Straße unter mir zeichnet sich kein Lichtschein ab, also ist die untere Etage des Hauses verlassen. Ich hoffe, dass es bedeutet, dass niemand außer mir wach ist und überlege, ob ich den gefährlichen Weg wagen soll. Seit unser Kater die Zebrafinken gefressen hat, ist nichts mehr, wie es war.
Meine Finger berühren den Türgriff, vorsichtig drücke ich ihn hinunter. Es quietscht ein wenig als ich die Tür einen Spalt breit öffne, doch es ist so leise, dass es vermutlich niemand gehört hat. Die zwei Schritte zur Treppe schaffe ich lautlos, doch bereits die erste Stufe birgt ein hohes Risiko. Probeweise setze ich einen Fuß an den Rand und verlagere mein Gewicht nach vorn. Kein Geräusch ist zu hören. Auch die nächsten beiden Stufen schaffe ich, ohne mich zu verraten, doch die vierte Stufe knackt leise. Ich erstarre und lausche auf Geräusche, die mir verraten könnten, ob mich jemand bemerkt hat. Nach zwei Minuten wage ich es, meinen Weg fortzusetzen. Bei den mittleren Stufen habe ich Schwierigkeiten, da einige von ihnen sehr knatschanfällig sind. Ein paar Mal erkläre ich meine Mission schon für beendet, doch das Haus bleibt stumm. Als ich die Treppe hinter mir gelassen habe, atme ich auf, der Rest wird einfacher. Ich schleiche im Flur an der Wand entlang und halte Ausschau nach dem Kater, doch das Vieh schläft vermutlich wie die übrigen Bewohner des Hauses. Als ich die Küche erreiche, fängt mein Magen wieder an zu grummeln. Ich muss mich beeilen. Meine Suche beginnt im Küchenschrank. Zwischen Bergen von Spaghetti und Dosenfisch finde ich eine kleine Dose Mais. Der Schrank unter der Spüle gibt weniger her, eine halbe Zwiebel zwischen halb verrotteten Kartoffeln. Die Kühlschranktür öffne ich mit einem mittellauten Quietschen, doch da das Licht kaputt ist, habe ich wenig Angst bemerkt zu werden. Nachdem ich etwa ein Dutzend Wurst- und Käsepackungen zur Seite geschoben habe, erblicke ich meine Vorräte und entspanne mich ein wenig. Trotz der schwierigen Situation wagt es niemand veganes Essen zu berühren. Ich nehme mir eine Packung geräucherten Tofu (der sogar roh sehr gut schmeckt) und dazu etwas vegane Tomatenpaste. Corona macht kreativ. Mit der Dose Mais und einer Flasche Wasser unter dem einen und dem Tofu, sowie der Tomatencreme und einer Scheibe Brot unter dem anderen Arm will ich gerade die Küche verlassen, als ich im Dunkeln des Wohnzimmers eine Bewegung bemerke. Sofort beginne ich zu sprinten; ich habe fast die Treppe erreicht, als ich von hinten zu Boden gerissen werde. Ich verliere meine Beute und knalle dann hart mit dem Kopf auf den Boden. Langsam drehe ich mich um und sehe eine Gestalt über mir. Die verfilzten Haare sind fleckig blondiert und der Pony fransig; das Gesicht des Wesens ist völlig entstellt. Die Augenbrauen haben unterschiedliche Formen und sind völlig schwarz, der Rest des Gesichtes ist voller Pickel und die schlecht aufgeklebten Wimpern geben ihm einen letzten grotesken Touch. Bei dem Anblick wird mir schlecht und ich muss mein Gesicht vom Anblick meiner Schwester abwenden. „Giiiiieeebbb miiiirr deeeiiinnneeee Piiiiccckkkkeeellllcremme!“ krächzt das Wesen. „Niemals!“, schreie ich und krieche rückwärts zur Treppe. Während so einer Krise darf man nur an sich selbst denken! Etwas Dunkles fliegt auf mich zu und ich realisiere, dass sie einen ihrer Einhorn-Hausschuhe geworfen hat. Mit einer Flugrolle rette ich mich vor dem Geschoss und versuche meine Beute wieder einzusammeln, während ich weiter Richtung Treppe krieche. Ein weiteres, sich diesmal windendes Objekt fliegt auf mich zu und ich gerate in Panik, als ich erkenne, dass es der verrückte Kater ist. Eine weitere Rolle wird mich nicht retten, also versuche ich, ihn zu fangen und so weit es geht, von mir wegzuhalten. Bei dem Manöver erwischt er mich am Ohr und ich spüre einen Tropfen Blut herunterlaufen. Das Tier strampelt und faucht und ich werfe es so weit von mir weg, wie es geht. Sofort startet meine Schwester den nächsten Angriff. Sie versucht mich mit dem Gürtel ihres Panda-Bademantels zu erwischen und ich bekomme ein paar Schläge ab, bis mir die rettende Idee kommt. Mit letzter Kraft schleppe ich mich über den Boden und meine Finger finden in der Dunkelheit das gesuchte Objekt. Ein Kreischen entfährt dem Wesen, als es das Ding in meiner Hand entdeckt. Langsam richte ich mich auf, den Räuchertofu wie ein Kreuz auf sie gerichtet. Sie windet sich und kriecht schreiend und fauchend zurück, als ich auf sie zugehe. Ich beginne mein Essen wieder einzusammeln und rückwärts die Treppe hochzugehen. Meine Schwester bleibt leise knurrend am Treppenabsatz zurück. Schnell haste ich die Treppe hinauf. Im oberen Flur will ich gerade meine Zimmertür öffnen, als etwas mit einem Kampfschrei auf mich zustürmt. Im Dunkeln erkenne ich eine dürre Gestalt mit langen Haaren und Bart. Der Fitnessstudio-Mangel hat meinen Vater schwer gezeichnet und in meinem Zimmer befindet sich das einzige paar Hanteln des Hauses. Er muss von dem Lärm unten aufgewacht und seine Chance gewittert haben. Ich renne in mein Zimmer und werfe mich von innen gegen die Tür, aber mein Vater hat sie bereits erreicht und drückt von außen dagegen. Eine Zeit lang drücken wir von beiden Seiten gegen die Tür bis mir der Tofu wieder einfällt. Auf meinen Vater hat veganes Essen zwar einen geringeren Effekt als auf meine Schwester, doch in Verbindung mit der kalorienarmen Tomatenpaste dürfte es gelingen. Ich presse mich mit dem Rücken gegen die Tür und präpariere ein kleines Stück Tofu mit der Paste. Jetzt muss ich schnell sein. Ich springe von der Tür weg und mein Vater stürmt herein, ich springe auf ihn zu und drücke ihm den Tofu ins Gesicht. Ein Schmerzensschrei entfährt ihm und wimmernd presst er die Hand auf die Wange, als hätte die Berührung tatsächlich Verbrennungen verursacht. Winselnd zieht er sich in den Flur zurück, ich knalle die Tür zu und schließe sie ab. Völlig außer Atem lasse ich mich auf mein Bett fallen, um dann, nach einem veganen Festmahl, einzuschlafen.
Seit dem Coronaausbruch sind mindestens zwei Monate vergangen und der Mangel an Luxusgütern wirkt sich deutlich auf die psychische und physische Verfassung der Menschen und Tiere aus. Bis jetzt habe ich überlebt, ohne wie meine Familie verrückt zu werden, doch ich weiß nicht, wie lange ich es noch aushalte. Dass Sie diesen Bericht lesen, bedeutet entweder, dass ich, wie bereits die Hälfte der Menschen der oberen Mittelschicht, ins Irrenhaus eingeliefert wurde oder, dass ich ihn nach Überstehen dieser Krise veröffentlicht habe, um der Nachwelt eine Warnung zu hinterlassen. Derzeit halte ich die erste Möglichkeit allerdings für deutlich wahrscheinlicher.
Es war einmal eine schöne Zeit,
doch dann kam über uns diese Welle,
die sich Corona nannte.
Corona, der Virus, den niemand hier sehen kann,
doch jeder hat Angst, ob Kind, Frau oder Mann.
Zu Hause bleiben, dass ist nun wichtig!
Ein jeder tut, was er kann,
nur so ist es richtig.
Keine Schule, keine Kita;
nur wichtige Geschäftewaren geöffnet,
jeder musste sich einschränken –
so sollte es sein.
Und jeder gab sein Bestes,
das war echt fein.
Auch wenn es schwer war am Anfang
und ein Jeder hatte zu kämpfen,
doch kurz über lang,
wurde es Alltag und jeder konnte sein Tun dämpfen.
Jede Familie musste nun schauen,
wie sie Kinder und Beruf unter einen Hut sich bauen.
Es gab Streit und Unmut,
dass tat keinem gut.
Viel gab es zu tun,
Homeschooling, Homeoffice,
da konnte niemand ruh‘n.
Ungewissheit plagte die Familie,
doch alle zusammen, dass ist doch klar,
schaffen wir alles, wie wunderbar.
„Stark zusammen sein“, das war das Motto;
denn nur so schaffen wir das Coronarisotto.
Nach wochenlangem zu Hause sein
kam dann die Lockerung für alle daheim.
Man darf mal wieder nach draußen geh‘n,
um nach dem Frühlingserwachen zu seh´n.
Die Blumen blühen am Rande,
ein Spaziergang ist nun was Besonderes.
Wer hätte das gedacht, der Frühling,
steht da in voller Pracht.
So lange waren wir drinnen und durften nicht hinaus,
der Frühling breitet sein Kleid
auch ohne uns aus.
Nun genießen wir ein bisschen Freiheit
und sind vorsichtig dabei,
denn Rücksichtnahme und Abstand
sind wichtig – nicht einerlei.
Nun warten wir ab, wie wird es weitergehen,
dass Ende ist noch lange nicht zu sehen.
Hallo Mensch,
als Ende 2019 die ersten Meldungen kamen, dass irgendwo in China irgendwer irgendeine Krankheit hat, ganz ehrlich, da hat es niemanden so wirklich interessiert. „Ist ja weit weg.“ Das ist meistens der Umgang mit Katastrophen in der Welt. Und jetzt? Jetzt steht alles still, wegen mir. Schon verrückt irgendwie. Obwohl das ja gar nicht stimmt. Die Welt steht ja gar nicht still. Die Sonne geht weiter auf, die Natur strotzt vor Leben. Nur der Mensch ist gezwungen worden mal innezuhalten. Der Wirtschaftsapparat wird gebremst. Aber es heißt doch die Gedanken sind frei?
Mein Name ist SARS-CoV-2. Die meisten Menschen nennen mich Covid-19. Ich musste mich mal bei dir melden, bitte höre mir kurz zu. Ich weiß, ich war nicht gut zu dir, zu euch und bin es immer noch nicht. Ich weiß auch, dass du mich nie ins Herz schließen wirst. Viele Menschen sagen, und vielleicht gehörst du auch dazu, dass ich nur Leid verursache. Aber ich frage mich und auch dich: Wer ist nicht gut zueinander? Wer hat wen nicht ins Herz geschlossen? Wer hat das Leid wirklich verursacht? Wenn du ehrlich zu dir bist, dann weißt du es. Ich möchte nicht von dir geliebt werden, aber andere Menschen wollen es. Nein, sie haben es verdient. Sie haben verdient, von dir in den Arm genommen zu werden. Sie haben es verdient, von dir ins Herz geschlossen zu werden.
Oder ist es bei dir anders? Willst du keine Liebe? Brauchst du keine Nähe? Möchtest du keinen Frieden auf der Erde? Ich möchte wirklich kein Moralapostel sein, aber ich will dir nur die Augen öffnen und dir zeigen, was du schon längst siehst. Es gibt keine Spezies, die so viele Unterschiede sucht, wie die Menschen. Es gibt keine Spezies, die sich gegenseitig so auslöscht, wie die Menschen. Es gibt keine Spezies, die sich gegenseitig so sehr hasst, wie die Menschen. Es gibt keine Spezies, die so viele Kriege gegen sich führt, wie die Menschen.
Kein Mensch kann sagen, er hätte die Zeichen nicht gesehen. Er hätte nicht gesehen, wie die Menschen anfangen, sich selbst auszulöschen. Er hätte nicht gesehen, wie Menschen anfangen, den Fortschritt der Technik gegen sich selbst zu nutzen. Er hätte nicht gesehen, dass Nachbarn nicht mehr miteinander sprechen, Familien auseinanderbrechen, Freunde zu Feinden werden, Menschen sich betrügen, belügen, sich gegenseitig das Herz brechen – und wofür?
Wofür? Diese Frage kann mir keiner von euch beantworten, ohne nicht dabei Scham zu fühlen und den Respekt vor sich zu verlieren. Schuld gebe ich vielen von euch. Nicht nur den Menschen, die den Finger am Abzug einer Waffe haben, sondern auch denen, die den Kopf in den Sand stecken. Nicht nur den Menschen, die aufeinander einschlagen, sondern auch denen, die wegschauen. Nicht nur denen, die sich anschreien, sondern auch denen, die schweigen.
Immer neue Gründe habt ihr gefunden, um euch zu hassen. Gestern war es die Religion, heute ist es die Hautfarbe, und morgen wird es das Geschlecht oder die Sexualität sein. Wenn ihr euch jetzt anschaut, seht ihr, dass ihr eins seid. Dass ihr eine Menschheit seid.
Aber ich weiß auch, es gibt auch keine Spezies, die so kreativ ihre Liebe ausdrücken kann, wie die Menschen. Es gibt auch keine Spezies, die so sehr mitfühlt, wie die Menschen. Es gibt auch keine Spezies, die sich gegenseitig so oft das Leben rettet und schenkt, wie die Menschen.
„Was kann ich alleine schon tun?“, fragst du dich vielleicht. Aber genau das fragt sich die halbe Menschheit. Übernimm Verantwortung, für dich und somit für jeden! Laufe mit offenen Augen durch die Welt! Frage dich, wie du das Leben eines anderen schöner machen kannst. Schließe mit gestern ab und vertraue auf morgen, aber sei voll im Moment. Stehe im Bus für einen anderen auf, halte die Türen auf, suche dir Gleichgesinnte und sorgt gemeinsam dafür, dass niemand hungert, durstet oder friert! Geht aufeinander zu! – Fange klein an: Trage die Tüte eines schwächeren Menschen, hebe auf, was anderen hinfällt. Schaut euch in die Augen und liebt euch! – Liebt euch!
Ihr habt jetzt gemerkt, dass ihr alle in einem Boot sitzt, dass ich keine Unterschiede mache zwischen Hautfarben, Religionen, Geschlechtern oder sexuellen Orientierungen. Auf einmal seid ihr alle gleich. Vergesst das niemals! Ich werde irgendwann weg sein und dann? Wie wird es für euch weitergehen? Werdet ihr all das vergessen? Werdet ihr all das wieder ignorieren und weitermachen wie zuvor?
Ich gehe gerne mit deinem Hass, wenn du mir versprichst, dass du ihn nicht verspürst, wenn du einen Menschen betrachtest, der anders ist als du. Ich will nicht von dir geliebt werden, aber andere Menschen wollen es, egal ob klein oder groß, alt oder jung, krank oder gesund. Nein, sie haben es verdient. Jede und Jeder – für immer…
20. August 2020. Ein warmer, sonniger, eigentlich schöner Tag. Ein großartiger Tag zum Rausgehen, denke ich mir. Aber da war ja noch was. Eine „kleine“ Horde von mutierten Viren mit der Folge einer tödlichen Lungenkrankheit, die gerade eine weltweite Reise macht, wirbelt unseren Alltag durcheinander.
Dennoch will ich rausgehen. An einem solch schönen Tag will ich es mir selbst nicht verbieten, ein wenig Sonne zu tanken und eventuell den einen oder anderen Menschen mit zwei Metern Mindestabstand auf der Straße zu treffen.
Ach, irgendeine dumme Ausrede fällt mir doch sowieso ein, wenn ich von der Polizei angehalten und gefragt werde, wohin ich denn möchte. Das letzte Mal, dass ich draußen war, ist zwar lange her – zu meiner Verteidigung, es hat geregnet – aber so viel wird sich währenddessen schon nicht geändert haben.
Obwohl ich schon lange kein Fernsehen mehr schaue und kein Radio mehr höre, habe ich die Nase gestrichen voll von all dem, was mir jegliche Freiheit nimmt und mich ins Haus sperrt. Es ist sowieso ständig das Gleiche #staysafe #stayhome. Jaja, interessiert mich zwar, aber zu viel ist zu viel.
Nun gut, ich ziehe mir eine Jeans und ein weißes, schulterfreies Top an und freue mich auf die Außenwelt.
Beim Blick aus dem Fenster denke ich mir:
Oh verdammt. In was für eine unfassbar gruselige Situation werde ich mich gleich nur begeben. Ich hätte nie gedacht, dass es alles so ausarten würde. Alles was ich sehe, sind Soldaten mit ABC-Masken und geladenen Maschinengewehren, die von Straße zu Straße ziehen, um wahrscheinlich die nächste lebende Seele, die Ihnen unter die Augen kommt, direkt zu erschießen und ein paar einsame streunende Katzen auf der Suche nach Futter.
Egal. Ich will raus. Was soll schon schief gehen. Ich schleiche mich also langsam von meiner Haustüre weg und begebe mich auf dem schnellsten Wege zu meinem Auto. Dort schalte ich ausnahmsweise mal das Radio ein, um mir etwas Klarheit über die Situation zu verschaffen.
Radiosprecher: „Die Regierung beschließt eine weitere Woche die vollständige Ausgangsperre aufrecht zu erhalten. Es darf nur noch eingekauft werden, was nötig ist, und das nur zu einer bestimmten Zeit. Älteren Herrschaften wird durch die Kooperation mit der Bundeswehr geholfen. Außerdem muss sich jeder deutsche Staatsbürger auf Corona testen lassen.“
Das hört sich ja nach Spaß an – hält mich aber auch nicht davon ab, heute die Sonne zu genießen. Ich mache ja nichts kaputt, trage eine Maske und außerdem treffe ich ja sowieso keine Menschenseele.
Ich fahre eine völlig verlassene Straße entlang, wo zu meinem Glück auch gerade keine Streife steht. Allerdings lasse ich mein Auto dann doch lieber am Straßenrand stehen und gehe den restlichen Weg zum Park zu Fuß, denn ohne Auto kann man sich auf jeden Fall leichter verstecken.
Gesagt – getan – und vor allem geschafft. Im Park angekommen, setze ich mich auf eine Bank an einem kleinen Ententeich, um die Natur in Ruhe und Frieden zu genießen. Ich habe die Ruhe leider zu sehr genossen und wurde unsanft aus meinem Mittagsschlaf geweckt: „Was machen wir denn hier? Einen illegalen Spaziergang?“, faucht mich ein junger Soldat an.
„Wenn Sie es so nennen wollen, ja“, fauche ich ebenso unfreundlich zurück.
„Ach, na dann. Und Sie leben hinterm Mond und haben noch nichts von der aktuellen Lage mitbekommen?“
„Oh, Verzeihung, ich lebe eingesperrt allein in meiner 20 Quadratmeter Wohnung ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Wenn ich ehrlich bin, wäre mir der Mond lieber!“, erwidere ich trotzig.
Er antwortet nicht. Er überlegt wahrscheinlich, mit welchem hirnverbrannten Spruch er darauf antworten könnte. Ich habe keine Lust mich weiter mit ihm zu streiten, also stehe ich auf und bin bereit ihn stehen zu lassen und zurück zum Auto zu gehen.
„Nicht so schnell, Puppe! Rausgehen ohne Erlaubnis kostet dich mittlerweile 1200 Euro – nur falls du es noch nicht mitbekommen hast“, ruft er mir hinterher.
Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Das macht mich etwas stutzig. Ich habe mit den üblichen 250 Euro gerechnet. Wie lange war ich denn bitte nicht über die Lage informiert?
Völlig entgeistert starre ich ihn an: „Bitte? 1200 Euro?“
„Ja, glaubst du ich lüge dich an, oder was? Ungehorsame Menschen zu Recht zu weisen, gehört nun mal zu meinem Job.“
„Zu Ihrem Job gehört es also ganz normale Mädchen, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen, anzumeckern, und mit Ihrer unfreundlichen und super nervigen Art zu provozieren? Interessanter Job! Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass Frechheit auf dem Ausbildungsplan steht.“
„Werden wir jetzt auch noch ausfallend gegenüber dem Militär? Ich kann aus den 1200 Euro auch ganz schnell 2000 machen.“
Ich soll mich eigentlich zusammenreißen und mein vorlautes Mundwerk einfach mal halten. Aber dieser unfreundliche Typ provoziert mich so sehr, dass ich meine Wut kaum noch zügeln kann. Verdammt ich habe nicht einmal 1200 Euro. Was mache ich jetzt nur?
„Also, ohne dir die Worte in den Mund legen zu wollen, aber ich würde ein: ‘Oh, bitte entschuldigen Sie, werter Herr Feldwebel. Selbstverständlich gehorche ich – hier haben Sie meine Handynummer‘, bevorzugen.“
Daher weht also der Wind. ‚Herr Gott bitte vergib mir meine nächsten Worte, aber besondere Maßnahmen, erfordern besondere Antworten. Ich hoffe ich bereue es nicht.‘ „Oh, werter Herr, ich habe Ihren Dienstgrad vergessen, bitte erlassen Sie mir die 1200 Euro und ich gebe Ihnen dafür meine Handynummer“
Damit hat er sichtlich nicht gerechnet. Ich hoffe, ich kann meine Schulden mit meiner Nummer begleichen. Oh je, ich hatte noch nie einen Freund; noch nie wirklich Kontakt zur Männerwelt. Ich hoffe, ich begehe keinen Fehler.
Er überlegt doch recht lange. Wahrscheinlich, weil er gerade seinen Beruf aufs Spiel setzt und das nur für meine Nummer.
„Na gut, das lasse ich gelten!“
Ich bin schon fast erleichtert über seine Einwilligung und doch beschleicht mich ein ungutes Gefühl. So arm bin ich also schon, ich muss meine Nummer an einen Soldaten verkaufen. Ich fühle mich sehr schlecht und so sehe ich auch wohl aus. Mit zittriger Hand schreibe ich meine Nummer auf einen Zettel, den er mir gegeben hat und versuche dann so schnell wie möglich aus der Situation zu verschwinden.
Und wieder höre ich seine Stimme in meinem Rücken: „Junge Dame, ich muss Sie jetzt leider nach Hause eskortieren“ Ist das ein Versuch mich zu erobern? Allerdings habe ich das Gefühl, dass er es irgendwie herzlich gemeint hat. Plötzlich erscheint er mir so anders; als habe er bemerkt, dass es mir in der Situation nicht gut geht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich von ihm wenigstens bis zu meinem Auto begleiten zu lassen.
Nach 10 Minuten sind wir am Auto angelangt. Die 10 gefühlvollsten Minuten meines Lebens – Er hat mir ein wenig über sich erzählt: Wie er zur Bundeswehr kam; dass er eine kleine Hündin namens Cleo hat; aber auch, dass es bei ihm mit den Frauen nicht so läuft. Als er zum Thema Frauen kommt, wirkt er sehr betrübt und ich muss sagen, dass er mir schon fast ein wenig leidtut. Er hat es auf seine Berufung geschoben – Er meint, er hätte ja sowieso kaum Zeit und außerdem betont er immer wieder, dass er gerade keine Lust auf eine Beziehung hat. – Das kann ich ihm aber überhaupt nicht abnehmen, so wie seine Stimme zittert. Beim Auto angekommen, bedanke ich mich sogar für das nette Gespräch und verabschiedete mich.
Allerdings sollte es kein Abschied für lange Zeit sein, denn am Abend blinkt mein Handy und zeigt mir, dass mich eine Nachricht von ihm erreichte. Ich bin neugierig und schaue nicht nur sofort, was er mir geschrieben hat, sondern erst auf sein Profilbild. Es zeigt ihn beim Stand-up-paddeling und – ‚meine Güte!‘ – Also sein Pech mit Frauen liegt definitiv nicht an seinem Aussehen. Er hat blonde Haare, trägt eine Brille, die ihn unfassbar intelligent aussehen lässt, und außerdem hat er einen großartigen Körperbau.
Ich sehe schon – meine Gefühle laufen gerade in die falsche Richtung. Warum muss ich mich nur immer so schnell verlieben? Ich frage mich: Er benahm sich doch heute wie ein absoluter Vollidiot, warum bin ich jetzt auf einmal so neugierig, wenn er mir schreibt: „Hey, hier ist der nervige Typ vom Bund. Wollte nur sagen, dass mir das Gespräch heute sehr gefallen hat, und dass ich dich doch ziemlich interessant finde und gerne mehr über dich erfahren möchte. Wir können ja mal beim Namen anfangen – Ich bin Sam, und du?“
Seit wann ist er so ein Gentleman? Und seit wann sah er so unfassbar gut aus? Vielleicht war es wirklich keine Fehlentscheidung ihm meine Nummer zu geben. Vielleicht sollte ich endlich mal aus meinem Einsiedlerdasein entfliehen. Ich entschließe mich, ihm zu antworten: „Hallo Sam, hier ist Nora. Ich fand das Gespräch ebenfalls sehr interessant. Danke nochmal fürs zum Autobringen.“
Meine Nachricht liest er sofort und fängt direkt an zu schreiben. Als ich das sehe, muss ich ein wenig lächeln. Es ist, seit ich mich erinnern kann, das erste Mal, dass mich jemand interessant findet. Ich bin sichtlich geschmeichelt. Und schon poppt die nächste Nachricht auf: „Möchtest du dich eventuell noch einmal mit mir zusammen im Park treffen?“ Er kommt direkt zum Punkt. Das mag ich sehr, auch wenn dieser Punkt zu dieser Zeit nicht ganz legal ist. Geschmeichelt und selbstbewusst antworte ich frech: „Eigentlich gerne, kommt nur darauf an wann? Die Sperre scheint sich in nächster Zeit wohl nicht aufzulösen. Also nur falls du hinterm Mond lebst und es nicht mitbekommen hast. ;-)“
Na gut, der musste noch einmal sein, aber so wie er bei unserer ersten Begegnung drauf war, versteht er sicher meinen zynischen Humor – was ich auch sehr befürworte. Und wirklich antwortet er auf eine ähnliche Art: „Mit dir, wäre mir der Mond lieber. Nora, ich weiß. Ich setze meinen Job aufs Spiel, aber mir könnte gerade nichts mehr egal sein als das. Ich möchte einfach mal wieder jemanden kennen lernen. Und gerade du stachst mir heute ins Auge.“
Wow, ist das schnulzig…und es gefällt mir so sehr. Ich möchte ihn auch unbedingt näher kennen lernen. Allein vom Schreiben mit ihm habe ich Schmetterlinge im Bauch. Das ist mir noch nie passiert.
Schnell antworte ich ihm: „Danke für das Kompliment. Ich habe morgen den ganzen Tag Zeit. -Mir wurde leider gekündigt, dass die Firma aufgrund fehlender Einnahmen insolvent ist. Also habe ich frei.“
Er antworte: „Das tut mir leid, dann würde ich vorschlagen, treffen wir uns morgen um 13 Uhr an bekannter Stelle. Passt dir das?“
„Ja, das ist sehr gut. Ich freue mich, bis morgen!“
Am nächsten Morgen wecken mich, wie gestern, die Sonnenstrahlen. Ich bin so unfassbar glücklich und nach Monaten erwartet mich endlich wieder ein ereignisreicher Tag, auf den ich mich freuen kann. Einfach mal jemand Liebes treffen und gemeinsam in den Park gehen. Man erkennt den richtigen Wert von einfachen Dingen erst, wenn man sie nicht hat.
Ich mache mir Frühstück und arbeite noch an meinem Buch, was ich mir vorgenommen habe zu schreiben. Plötzlich ist es schon 11 Uhr.
Ich frage mich, was ziehe ich an? Ich entscheide ich mich für ein weißes Rockabilly Kleid, welches mit Blumen verziert ist. Anschließend schminke ich mich und probiere nach Monaten der Quarantäne zum ersten Mal wieder aus, mir Eyeliner aufzutragen. Schließlich mache mich auf den Weg zum Park.
Wieder lasse ich mein Auto auf dem Weg stehen und gehe den Rest zu Fuß, denn die Gefahr erwischt zu werden, ist schließlich im Auto immer noch höher. Schon von Weitem sehe ich ihn auf der Parkbank sitzen, von der er mich gestern noch runter scheuchen wollte. Er trägt keine Maske, ein schwarzes Hemd und eine Jeans. Er sieht aus wie auf seinem Profilbild – ich kann es kaum glauben, ich kann mir nichts Besseres vorstellen.
Wir begrüßen uns und er hat mir sogar eine Blume mitgebracht. Sie war zwar sichtlich aus einem Vorgarten gestohlen, da die halbe Wurzel noch dranhängt, aber das macht es nur umso persönlicher und niedlicher. Außerdem hat sowieso kein einziger Blumenladen geöffnet.
Die Zeit vergeht wie im Fluge: Zwei Stunden später, sitzen wir immer noch auf der Bank und unterhalten uns. Ich fühle mich in seiner Gegenwart so wohl und sorgenfrei. Auf einmal erstarrt er. Bevor ich ihn fragen kann warum, springt er auf und zieht mich in das nächstgelegene Gebüsch. Ich will fragen, was los ist, doch er hält mir die Hand vor dem Mund. Er flüstert mir zu, dass er seine Kollegen gesehen habe, die gerade durch den Park auf Patrouille sind. Nun müssen wir ganz still sein. Wir riskieren schließlich gerade eine Strafe von über 6000 Euro, denn wir waren ja nicht nur einzeln, sondern sogar zu zweit und dass ohne Abstand. Außerdem riskiert er gerade seinen Job, für den er wirklich brennt.
Es fühlt sich an, als würden die Soldaten in Zeitlupe spazieren. Wir versuchen uns nicht zu bewegen, doch klassischer Weise muss ich niesen. Ich versuche es zu unterdrücken. Ganz gelingt es mir jedoch nicht. Vom Niesen raschelt das Gebüsch. Die Soldaten werden aufmerksam. Sie bewegen sich auf uns zu. Sam will mich hochziehen, sodass wir schnell weglaufen könnten, doch ich halte ihn fest und rate ihm doch noch leise zu sein. Zum Glück hört er auf mich, denn kurz bevor die Soldaten das Gebüsch erreichen, bemerken sie eine andere Person, die sich unerlaubt im Park aufhält. Die Person läuft davon und die Soldaten laufen sofort hinterher.
Wie bleiben noch ruhig, bis wir sie nicht mehr sehen und hören können. Nach einiger Zeit wagen wir es langsam aufzustehen. Wir schauen uns noch einmal um und bewegen uns vorsichtig aus dem Gebüsch hinaus. Natürlich kann ich nie wirklich vorsichtig sein und stolperte aus reiner Tollpatschigkeit über einen Ast. Der Ast lag nicht einmal im Weg. ‚Sowas kann auch nur mir passieren!‘, ärgere ich mich über mich selbst. Sam, der hinter mir stand und das Trauerspiel beobachtet, hält mich noch an der Hand fest, sodass ich nicht ganz zu Boden falle. Er zieht mich mit all seiner Kraft wieder nach oben, wobei er allerdings nicht merkt, dass er zu viel Kraft er angewandt hat, – denn ich fliege volle Kanne in seine Arme.
Das finde ich gar nicht so schlimm, ich finde es sogar großartig. Ich bin so furchtbar aufgeregt und die Schmetterlinge in meinem Bauch fühlen sich an, als wollen sie gleich aus meinem Körper ausbrechen. Wir sind uns ganz nah. Er streicht mir mit seiner Hand eine Strähne aus meinem Gesicht, die sich vom Zopf gelöst hat. Wie schauen uns direkt in die Augen. Er hat so unfassbar schöne Augen. Ich habe mich sofort darin verloren. Wir stehen eine ganze Weile so. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Ich weiß nicht, was ich machen soll, aber eins weiß ich: Ich will nicht wieder weg. Ich sehe so viel Unsicherheit in seinem Gesicht. Ich weiß, dass seine Seele sehr verletzt ist. Er hält mich fest im Arm, schaut mir tief in die Augen und doch zögert er, mich zu küssen. Dann plötzlich sagt er: „Ich glaubte nie an Liebe auf den ersten Blick, aber ich habe noch nie in meinem Leben jemandem so schnell vertrauen können wie dir. Nora, ich liebe dich.“ Er schaut mir noch einmal tief in die Augen und zieht mich noch näher und ohne ein weiteres Mal zu zögern, küsst er mich.
Niemals in meinem Leben habe ich gedacht, dass mich eine globale Pandemie und meine rebellische Art einmal zu meinem großen Glück führen würde.
Es ist ein Tag wie jeder andere, ich gehe zur Schule, mache den Unterricht mit und lache mit meinen Freunden. Später am Tag bin ich auf Instagram und sehe seltsame Posts über einen Virus: „Erst die Feuer in Australien und jetzt Corona“ sind so ziemlich die meisten Aussagen der Beiträge. Ich denke mir jedoch nicht viel dabei, das Ganze ist ja schließlich weit weg – in China.
Ein paar Wochen später geht die Nachricht um, dass wir schulfrei bekommen, falls sich dieses Corona-Virus weiter in der Welt ausbreitet. Die Freude ist groß, keine Schule bis zu den Ferien. -> Zwei ganze Wochen mehr frei!
Aber dann kommen die Sorgen. In diesen zwei Wochen hätten wir wichtige Klausuren geschrieben. Was ist jetzt damit? Wie geht es jetzt weiter? Werde ich so das Abi nächstes Jahr schaffen? Werden die Ausfälle beachtet werden? Es scheint so, als ob nur ich mir diese Fragen stelle und alle anderen sorglos sind.
Während der Ferien kommt die nächste Nachricht, die mich besorgt: Weiterhin keine Schule; Corona hat sich immer mehr verbreitet. Erneut kommen meine ganzen Sorgen hoch, doch sie werden nur belächelt., Keiner nimmt das ernst! Warum auch? Menschen sterben und ich mache mir nur Sorgen um die Schule.
Endlich: Wir bekommen Aufgaben von unseren Lehrern per Mail, um so den Unterricht fortzuführen! Das klingt erstmal toll, doch leider geben die Lehrer jetzt so viele Aufgaben, dass diese nicht alle zu schaffen sind. Für einige brauche ich drei Stunden, wobei ich das Fach normalerweise nur 90 Minuten in der Woche habe. Schnell setzt so bei mir die Überforderung ein, denn ich brauche nicht nur länger, nein, ich verstehe auch nicht alles und habe keine gute Möglichkeit, meine Lehrer zu fragen.
So kämpfe ich also Woche um Woche mit den Aufgaben und mir fällt auf, dass ich dabei immer wieder Aufgaben übersehe und so in einigen Fächern noch nichts gemacht habe.
Der Stress nimmt zu.
Dann kommt die neue Plattform, mit der es einfacher ist, die Aufgaben im Überblick zu behalten. Doch nur wenige Lehrer nutzen diese und wieder einmal schaffe ich nicht alles.
Endlich die gute Neuigkeit: Ihr dürft wieder in die Schule, um in den Hauptfächern unterrichtet zu werden!
Meine Hoffnung steigt, dass ich so die Chance habe, mit den Lehrern zu reden und meine Probleme zu lösen. Doch so kommt es nicht. Es werden die Aufgaben verglichen und schwupps ist die Zeit in der Schule um.
Gleich folgt auch schon die nächste Nachricht: Wir bekommen unsere Semesternoten, die bereits wichtig für unser Abi sind und können uns nicht mehr verschlechtern. Doch die Lehrer haben nur ein paar Wochen Unterricht vor Corona mit uns gehabt, die sie jetzt zu Bewertung nehmen müssen. Wie soll das gehen?
Noch mehr Stress und Angst. Wie soll mein Abiturzeugnis nächstes Jahr aussehen?
Mittlerweile redet jeder nur noch über Corona, aber niemand redet über Corona in Bezug auf die Schule; es sei denn es geht um die diesjährige Abschlussklasse. Doch was ist mit mir? Kümmert sich jemand um meinen Jahrgang? Wie sollen wir das Abi nächstes Jahr bestehen? Doch keiner kann meine Fragen beantworten.
Mittlerweile ist klar, dass ich meine Noten für dieses Halbjahr noch verbessern kann. Oder doch nicht? Plötzlich heißt es, man kann nur noch einen Unterkurs verbessern.
Gerüchte gehen um, dass es eine zweite Welle von Corona geben wird. In der Zwischenzeit gibt es schon mehrere seltsame Nachrichten. Die Aufforderung des US-Präsidenten: „Spritzt Desinfektionsmittel, um euch vor Corona zu schützen!“ ist hier wohl die bekannteste, über die sich lustig gemacht wird. Doch ich finde sowas nur erschreckend. Es ist nun kaum noch auszuhalten, das Wort Corona zu hören. Die Medien und alle, mit denen ich rede, haben kein anderes Thema mehr. Immer nur Fragen: „Wie können wir uns schützen?“ „Wie können wir denen in der Risikogruppe helfen? Wie es für sie sicherer machen?“ oder „Ist alles nur ein großer Fake?“ „Kommt das Virus eigentlich aus China oder hat Amerika das Virus dorthin gebracht?“ So viele Fragen, doch wieder sorgt sich keiner um meinen Jahrgang. Wir sind jetzt zwar an einzelnen Tagen für wenige Stunden in der Schule, doch das reicht nicht.
Was ist mit unserem Abi? Werde ich mein Abitur so schaffen? Muss ich jetzt für meine restliche Schulzeit mir alles selber beibringen? Wie soll das alles gehen? Werde ich überhaupt ernst genommen? Kümmert sich jemand um meine Sorgen? Wie soll ich all diese Aufgaben alleine schaffen?
Der Stress siegt. Meine Angst lähmt mich. Ich tue nur noch das Nötigste. In Fächern, in denen meine Note „okay“ ist, mache ich nichts mehr. Doch mein Kopf arbeitet 24/7, denn da sind meine Fragen und die lassen mich nicht in Ruhe!