Der 2. Weltkrieg ist seit über 75 Jahren vorüber, doch die Erinnerungen an die Zeit sind durchaus noch lebendig. Sie werden in vielen Familien erzählt oder sind in Berichten, Briefen oder Tagebüchern notiert. Manche schlummern im Verborgenen. Durch die jüngsten Ereignisse in der Ukraine sind diese Erinnerungen unvorhergesehen von aktueller Bedeutung.

Die 13c hat im Schuljahr 2014/15 recherchiert und, wo es ging, Zeitzeugen und deren Nachkommen befragt und ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Es sind einige Geschichten zusammengekommen, manche schön, manche traurig, auch schrecklich; einige sind aber auch voller Hoffnung und sogar lustig.

Auf jeden Fall sind es Erinnerungen, die geteilt werden sollten. Sie können sie in Kürze in diesem Gedächtnisarchiv erkunden.

Das gute Geschirr

Die Geschichte, die ich erzählen möchte, geschah in Leipzig… Mitte April 1945.

Die zweitälteste Schwester meiner Uroma, Fridel Strähler, lebte mit ihren beiden Söhnen in Leipzig. Ihr Mann war im Russland-Feldzug und galt als vermisst.

Jeden Tag erfolgten durch die Engländer und die Amerikaner Luftangriffe. Die Stadt was bereits größtenteils zerstört. „Tante Friedel“ hatte das gesamte Geschirr, Porzellan und die Kristallvasen sowie noch verbliebenes Geld im Hasenstall unter dem Stroh und Heu versteckt.

Mitte April 1945, den genauen Tag wissen wir leider nicht mehr, da alle Verwandten, die uns noch etwas erzählen könnten, mittlerweile gestorben sind, war wieder einmal Fliegeralarm. Alle Menschen waren aufgefordert, den nächsten Luftschutzkeller aufzusuchen. Tante Friedel hatte mit ihren Söhnen nicht mehr genügend Zeit dafür und so liefen sie so schnell wie möglich in den Keller und suchten unter der Kellertreppe Zuflucht.

Eine Bombe nach der anderen wurde aus den Fliegern geworfen… In unmittelbarer Nähe des Hauses von Tante Friedel fielen sie nieder. Die Zerstörung war groß.

Einige Tage später erreichte meine Uroma Elisabeth in Crimmitschau die Nachricht, dass ihre ältere Schwester Friedel samt ihren Söhnen gestorben sei. Meine Uroma macht sich sofort per Zug auf den Weg nach Leipzig. Das dauerte angesichts der Luftangriffe länger als üblich. Als meine Uroma am Bahnhof ankam, war rund um den Bahnhof alles zerstört. Nur noch Ruinen. Bis zum Haus ihrer Schwester weinte meine Uroma. Überall Zerstörung, Feuer und Rauch.

Das Haus von Tante Friedel war fast unversehrt. Meine Uroma sah im Haus nach und fand ihre Schwester und Neffen unter der Kellertreppe sitzend. Friedel hielt ihre Söhne in ihren Armen… rechts und links… Es sah aus, als wenn sie schliefen. Die Druckwelle der Bomben hatte ihnen die Lungen zerrissen… ein schwerer Schicksalsschlag für meine Uroma und ein lang anhaltender Schock.

Die nächsten Tage hat meine Uroma dann das gesamte Haus geräumt und alles in Kisten verstaut. Die Hasen im Stall waren ebenfalls tot… zerrissene Lungen. Doch das gesamte Geschirr, Silberbesteck, Kristallvasen, Porzellan war unversehrt.

Auf dem Foto sieht man eine der Kaffeetassen mit Untertasse. Sie sind jetzt über 70 Jahr alt und die letzte Erinnerung an meine Verwandtschaft aus Kriegszeiten. Meine Familie hat all das Geschirr, welches den Krieg überstanden hat, geerbt und nun reichen wir es von Generation zu Generation weiter. In ihm stecken all die schönen Erinnerungen an unsere Verwandtschaft und die schlechten Erinnerungen an den Krieg.

Aufgeschrieben von Lisann Schüttler

Ein Schiffsunglück an der griechischen Küste 1942

Mein Name ist Stella Midellias, ich bin auf der griechischen Insel Limnos aufgewachsen. Dort lebe ich immer noch in dem Dorf namens Plaka. Limnos wurde 1941 von Deutschland besetzt, zu dieser Zeit war ich 15 Jahre alt.

In dieser schwierigen Situation ist etwas geschehen, was ich niemals vergessen werde. An einem sehr stürmischen Herbsttag ist ein deutsches Schiff an der Küste von Plaka gestrandet. Nachts sind wir dann mit einigen Nachbarn zum Schiff gegangen und fanden dort viele Kisten voll mit Proviant, welcher eigentlich für die deutschen Soldaten bestimmt war.

Viele Kisten waren kaputt gegangen und die Dosen lagen überall im Sand und im Meer herum. Es waren noch einige Soldaten auf dem Schiff, doch jeder von uns hat so viele Dosen mitgenommen, wie er tragen konnte. Einige sind auch mehrmals hingegangen, um mehr mitzunehmen. Im Anschluss haben wir dann alles vergraben.

Als die Soldaten bemerkten, dass sie bestohlen worden waren, sind sie am nächsten Morgen in unser Dorf gekommen und haben jedes Haus durchsucht. Dort, wo sie Dosen fanden, haben sie diese wieder mitgenommen und die Männer und Söhne verprügelt. Auch zu unserem Haus kamen die aggressiven Soldaten, doch bei uns haben sie zum Glück nichts gefunden, weil wir die Dosen ja schon in der Nacht in unserem Garten vergraben hatten.

Das Schiffsunglück 1942 hat meine Familie und mich durch den Winter gebracht, denn wir hatten so viel Nahrung versteckt, dass wir uns damit fast ein Jahr ernähren konnten.

Aufgeschrieben von Maria Midellias, Enkelin der Zeitzeugin